Magdalena Felice
Heike Weber. kilim
Die Kölner Künstlerin Heike Weber beschäftigt sich mit der Erweiterung der Zeichnung in den Raum. Ihre linearen Gestaltungen verlassen den Bildträger, schweben oder liegen frei im Raum und nehmen plastische Qualitäten an. Oder sie bedecken die Flächen von Räumen, die Böden, Wände und Decken, folgen deren Formen oder brechen diese optisch auf und machen den Raum selbst damit zum Bildträger und – im radikalsten Falle – zur begehbaren Zeichnung. Als Zeichenmaterialien dient der Künstlerin Alltägliches: Haarnetze, Wäscheleinen, Klebepunkte, Fenstermalfarbe, Teppichmeterware, Kreppband oder Permanentmarker auf PVC etc. In ihren raumbezogenen Arbeiten geht sie kunstimmananten Fragestellungen, wie dem Aufbrechen des Bildträgers und seiner Grenzen oder dem Verhältnis von Linie oder Form zum Raum nach und verbindet diese formale Aspekte immer wieder mit inhaltlichen – so auch in den kilims, die sie seit einem Türkeiaufenthalt 2006 fertigt. Für die Burgkapelle des MMKK, deren Wände und Decke mit barocken Malereien von Josef Ferdinand Fromiller bedeckt sind, produziert Heike Weber einen fast Boden füllenden Kelim (auf türkisch "Kilim"). Plastisch breitet sich dieser als Gerippe eines prachtvollen Orienteppichs auf den steinernen Fliesen der Burgkapelle aus. Er besteht allein aus der in weißem Silikon gezeichneten Ornamentik des Bodenbelags und lässt den Grund durchscheinen. Seiner Farben beraubt, seiner Funktionen enthoben und auf die akribische und arbeitsintensive lineare Zeichnung seiner Muster reduziert, wird der Teppich zum Verweis auf Realität und Imagination des Orientteppichs zwischen Okzident und Orient. In ihm verdichten sich Fakten und Zuschreibungen, Vergangenheit und Gegenwart: Er weist ebenso auf den Rückgang der identitätsstiftenden Bedeutung der Ornamente für die nomadischen Clans des nahen Ostens und deren Lesbarkeit seit dem Beginn der industriellen Fertigung vor etwa 100 Jahren wie auf die dekorative und repräsentative Funktion von Orientteppichen als kostbaren Importgegenständen in Europa seit der Zeit des Barock. Die langwierige, traditionelle handwerkliche Fertigung der Teppiche des Nahen Orient spiegelt sich in der aufwendigen manuellen Fertigung von Webers kilim wieder. In der Konfrontation mit dem illusionistisch ausgestalteten, sakralen Raum schwingt schließlich die Funktion des Orientteppichs als Gebetsteppich mit. Sie lässt die Gegenüberstellung zum poetischen Aufeinandertreffen der Himmelfahrt eines Regionalheiligen Kärntens mit einem fliegenden Teppich aus dem Land von Tausendundeiner Nacht werden.