Jutta Mattern
Wir wechseln auf die Südseite der Ausstellungsebene, wo in der Mitte des Raums eine Bodenarbeit von Heike Weber platziert ist. In strahlendem Weiß auf dunklem Holzboden schimmert uns eine ornamentale Fläche entgegen, die mit unterschiedlichsten Formelementen spielt und in lebendiger Korrespondenz zum Raum skulpturale Qualität gewinnt. Eine Zeichnung, aus dem billigen Massenprodukt Silikon gefertigt und mit einer gewöhnlichen Kartuschenpresse aufgetragen, steht dem kostbaren Gold der Apostelfresken diametral gegenüber. Dennoch ist die Anziehungskraft des „Teppichs“ mit seinen unzähligen linearen Verschlingungen und Mustern verführerisch und animiert uns, ihn zu erkunden, zu umrunden und in das ihm eigene labyrinthische System einzutauchen. Betreten dürfen wir ihn nicht, er schützt nicht wie ein echter Teppich den Boden, auf den er in seiner Zartheit und Zerbrechlichkeit verweist. Heike Weber nimmt Elemente der ehemaligen ornamentalen Ausgestaltung des Speyerer Doms durch Joseph Schwarzmann in ihre Arbeit auf, sodass sich die Apostel in dieser vertrauten Nachbarschaft heimisch fühlen dürften. Der freie gestische Duktus von Heike Webers Ornamentlinien rekurriert auf florale Motive und Formen, die ihren vollendeten Ausdruck in der Kunst des Islam wie auch in der christlichen Ornamentik gefunden haben. Durch diese Verquickung kaum zu unterscheidender Muster entsteht hier in Rolandseck ein Ganzes: unwiderstehlich und über jeden Glaubenszweifel erhaben.