Die Arbeiten von Heike Weber entfalten ihre erstaunliche Wirkung in der reinen Anschauung. Der Betrachter gerät, je mehr er sich darin vertieft, in einen Konflikt sich einander widersprechender Empfindungen.

Die Irritation geschieht zuerst einmal über das Material. Erst beim Näherkommen verraten die von weitem verführerisch weiß leuchtenden Kuben ihre wahre Beschaffenheit. Sie bestehen ausgerechnet aus Styropor, einem Material, das wohl eher unangenehme Assoziationen weckt. Die Styroporplatten sind so dünn geschliffen (1mm), daß sie trotz der ausgebrochenen Stellen gerade noch nicht auseinanderfallen. Die Proportionen entsprechen der äußersten statischen Belastbarkeit.

Wenn wir das Material Styropor, das bekanntlich aus kleinsten Kügelchen zusammengepreßt ist, in diesem Zustand neu kennenlernen, sehen wir mit Verblüffung seine Schönheit, aber auch seine Verletzlichkeit. Das Material scheint sich in einem Zustand der Atomisierung zu befinden. Die beängstigende Fragilität des Objektes untergräbt den durch die strenge Form suggerierten Anschein von Beständigkeit. Die Verunsicherung wächst, je länger die Betrachtung andauert. Der Gegenstand läßt sich nicht als Ganzes erfassen, und zwar im wahren Wortsinn, denn würden wir ihn hochheben, würde uns seine unerwartete Leichtigkeit aufs neue „aus der Fassung“ bringen.

In der Reihung verdichtet sich der Gegensatz von Form und Auflösung noch. Die mit dem Seriellen verbundene Vorstellung von maschineller Herstellung wird korrigiert durch das individuelle Erscheinungsbild, das sich aus der handwerklichen Bearbeitung der Styroporplatten erklärt. Das an sich eher spröde Material erhält eine unvermutete Sensibilität und Lichtempfindlichkeit, die dem Transzendenten verwandt scheint. Als Lichtkörper entwickeln die Kuben eine immaterielle Ausstrahlung im Raum. Vor allem dann, wenn sie durch einen Luftzug in leise Bewegung gerät, wirkt die Aufstellung ganz flüchtig und unwirklich.

Heike Weber bevorzugt Materialien, die aufgrund ihrer verhältnismäßigeen Unscheinbarkeit wenig geeignet erscheinen, das Interesse des Betrachters herauszufordern. Anstatt das Material aufzuladen, wird immer mehr weggenommen, um bis zu seinem Wesen vorzudringen. Ein ähnliches Prinzip gilt für die Formfindung. Die Maße der normierten Styroporplatten bestimmen die Form. Mit dieser Radikalität kommen die Arbeiten in die Nähe von Grenzerfahrungen, die das Wirklichkeitsempfinden des Betrachters unmittelbar treffen.

SABINE MÜLLER