Rike Zoebelein
Heike Weber
Normalerweise bieten uns Räume Schutz und Geborgenheit – steht man aber in einer von Heike Weber All-Over Raumzeichnung, gerät die Welt ins Schwanken: physisch und psychisch sind wir herausgefordert, irritiert von den unzähligen mit Permanentmarker aufgebrachten Linien, dem psychedelischen Rapport von Strichen, der uns umfängt. Der Prozess der Wahrnehmung verschmilzt mit einer intensiven körperlichen Erfahrung, der wir erst zögernd dann neugierig erliegen. Verlassen wir den Weberschen Raum sind wir Teil der Skulptur geworden. Die 1962 in Siegen geborene und in Wiesdorf aufgewachsene, Künstlerin, besuchte schon während ihrer Schulzeit am Lise-Meitner-Gymnasium Zeichenkurse, weil ihr „der Kunstunterricht nicht reichte!“ Noch während der Abiturzeit legte sie die Aufnahmeprüfung zum Grafik-Design-Studium ab und studierte an der Fachhochschule Aachen Visuelle Kommunikation. Exkursionen in die Toskana führten zur Begegnung mit der Frührennaissance vor allem mit der stillen Erhabenheit und Schönheit der Fresken von Piero della Francesca. Ein auslösender Moment, denn Heike Weber erkennt wie intensiv sie von Kunst berührt ist und wie stark der Wunsch ist, nicht angewandt, sondern als freie Künstlerin zu arbeiten. Nach dem Diplom 1986 zieht sie nach Köln und arbeitet zum Broterwerb als freie Mitarbeiterin für die Öffentlichkeitsarbeit des WDR und unterrichtet an der VHS Leverkusen. Den ersten Ausstellungserfolg verzeichnet sie 1993 im Kölnischen Kunstverein mit fünf auf Linienstärke dünn geschliffenen Styroporkuben, die durchscheinend und bei jedem Luftzug sich bewegend im Gegensatz zur strengen Form stehen. Ähnlich treibt sie mit einer Haarnetz-Installation die Reduktion von Materialität auf die Spitze; die auf das gleiche Maß gespannten, auf Nägeln befestigten und aneinander gesetzten fast unsichtbaren Netze reihen sich zu einer dichten Wandbespannung mit raumgreifender Wirkung. Eine wichtige Zäsur für den künstlerischen Werdegang setzt 1993 die Einladung, als „Artist in Residence“ an der Glasgow School of Art in Schottland zu arbeiten, wo sie 1994 einen Lehrauftrag für Enviromental Art erhält. Mit dem ersten Stipendium (Korea 1997) erhält Heike Weber fast jedes Jahr ein Stipendium, das ihr ein freies Arbeiten erlaubt. Zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland bestätigen ihren Erfolg. Seit 1998 erarbeitet Heike Weber raumgreifende Boden- und Wandzeichnungen, meist auf weißem PVC, den sie mit Permanentmarker und minimierten Lineaturen überzieht. Raummerkmale wie Nischen, Treppen oder Ecken bestimmen den Verlauf des Striches mit. Wie Schallwellen „wabern“ die Linien über Boden, Wand und/oder Decke und überfluten mit der halluzinativ wirkenden Ornamentik den zur begehbaren Skulptur gewandelten Raum. Neben den Raumzeichnungen sind ihre installativen Zeichnungen überzeugend, die mit alltäglichem Material so wie die auf feinen Nägeln angebrachten, mit window-color gefertigten fliegenden Figuren, Bergketten aus Wäscheleine, die aus Silikon gezeichneten Orientteppiche und die Scherenschnitte aus Teppichboden. Mit einer beeindruckenden Bandbreite an verschiedenen Disziplinen und Dimensionen erforscht Heike Weber die körperliche und sinnliche Wahrnehmung von Fläche und Raum. In allen Werken zeigt sich ihr genuin zeichnerisches Interesse, das uns - den Betrachter- das Medium Zeichnung grundlegend neu sehen, begreifen und körperlich erfahren lässt.