RADAR – zu den zeichnerischen Verfahren Heike Webers

„Es gibt keine Leere und es gibt keine Fülle, es gibt nur die Möglichkeit, die Leere zu füllen hier, (…) mittels Lotung und Transformation.“ Was Gottfried Benn in seinem 1948 erschienenen Aufsatz „Der Radardenker“ beschrieben hat, lässt sich sinnfällig auf viele gegenwärtige Positionen im künstlerischen Umgang mit Fragen des Raumes und seiner Wahrnehmung übertragen. Denn dort, wo zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler das instabile Verhältnis von innerer und äußerer Wirklichkeit, von Selbst- und Welterfahrung zum Gegenstand ihrer Untersuchung machen, entstehen nicht selten hybride Raummarkierungen, die zuallererst auf Projektion, auf subjektiver Erkundung und energetischer Verwandlung beruhen. Nicht mehr die programmatische Betonung ortsspezifischer Gegegebenheiten, sondern Aktion, Bewegung und Ereignishaftigkeit sind die Merkmale dieser künstlerischen Praxis.

Hierher gehören die Arbeiten von Heike Weber, die zeichnerische Prozesse über das begrenzte Bildformat hinaus erprobt, um deren dynamisches Potenzial in verschiedenen Dimensionen und Disziplinen auszuloten. So entstehen gleichermaßen installative Eingriffe in Gestalt expansiver Wand- und Bodenzeichnungen wie auch raum- und flächengreifende Interventionen unter Verwendung diverser Materialien, so zum Beispiel in Gestalt von Teppichbodenschnitten, von Verspannungen aus Wäscheleine oder Feldern aus farbigen Klebepunkten. Gemeinsam ist ihnen eine Art doppelter Wirklichkeit, die aus dem Spannungsverhältnis von Setzung und Entgrenzung, von konkreter Arbeit, faktischem Resultat und optischer Illusion entsteht – und dabei stets auch physisch wirksam wird, indem ihre Installationen die gewohnten Parameter räumlicher Wahrnehmung irritieren und verändern. Ganz ähnlich hat Heike Weber dieses Prinzip der Raumzeichnung auch in ihren Videoarbeiten aufgegriffen, zumal es sich um geloopte Sequenzen alltäglicher Beobachtungen und Handlungsabläufe handelt, deren zirkuläre Bewegung eigenen, nicht-funktionalen Gesetzen folgt.

Dort, wo herkömmliche Kommunikationsverfahren versagen, wo Irrwege lauern und Desorientierung droht, zählen Ausrüstung, Präzision und Kalkül. Solchermaßen präpariert, setzt Heike Weber in ihren Arbeiten Vorgänge zeichnerischer Lotung und Transformation in Gang, die stets konkret an den Betrachter weitergereicht werden. Ob mit Stift, Schnur, Skalpell oder Kamera, ob als ornamentales Muster oder projizierte Lineatur: Was somit entsteht, sind offene Felder und ungesicherte Situationen, die auf subjektive Weise, körperlich wie mental, Zeit und Bewegung bei der Konstruktion von Raum erkunden.

Stefan Rasche